Jetzt ist er endlich da: der von Gott auserwählte und gesandte Retter des amerikanischen Volkes. Nach vier Jahren der Dunkelheit wird Gott nun mit Donald Trump das Blatt wenden. Über sich selbst sagt dieser: "Ich wurde von Gott gerettet, um Amerika wieder großartig zu machen", und: "Mein stolzestes Vermächtnis wird das eines Stifters von Frieden und Einheit sein." Halleluja, Trump der Retter ist da![i] Der Messias 3.0 sozusagen. Aber für viele im Land beginnt nun alles andere als eine „messianische Heilszeit“.
Hoppla, denken sich ganz alte Menschen, - woher kenne ich das denn? Vielleicht denken die heute 100jährigen an die exaltierte Stimmung im Frühjahr 1933 und damit an den Messias 2.0. Damals waren fast alle Deutschen außer Rand und Band, als Hitler am sogenannten Tag von Potsdam sagte: Wir sind entschlossen, die großen Aufgaben zu lösen, die das Schicksal uns gestellt hat. Und wir glauben, dass Gott der Allmächtige uns dazu berufen hat, das deutsche Volk zu führen.“[ii] Bekanntermaßen der Beginn einer Unheilszeit.
Als Christinnen und Christen hören wir diese Anmaßungen und fragen irritiert nach dem Original, dem Messias 1.0. Dieser wird uns im heutigen Evangelium präsentiert: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn er hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.“ (Lk 4,18f.) Diese Heilszeit dauert bis heute an.
Waren katholische Christinnen und Christen, waren unsere Schwestern und Brüder in den anderen Konfessionen 1933 besonders aufnahmebereit für den Messias 2.0? Sind die Kirchen in Amerika affin zum Messias 3.0? Rückblickend betrachtet bedeutete der Herrschaftsantritt Hitlers in den Augen einer überwältigenden Mehrheit die Rückkehr zu Sicherheit und Ordnung. Für viele Langzeitarbeitslose, aber auch kleine Handwerker und darbende Staatsangestellte bestand nun berechtigte Hoffnung auf eine „Heilszeit“. Auch glaubende Menschen sahen das so nach der politischen und wirtschaftlichen Megakrise der späten Weimarer Republik. Wir wissen heute, wie stark sich Erlösungshoffen und Vertrauen im Katholizismus zu Beginn des NS-Regimes auf die Person des neuen, starken Reichskanzlers richteten. Den Katholiken waren Hierarchien, Autoritäten und Gehorsam ja bestens vertraut. Für viele Mitglieder der katholischen Kirche gab es zudem begrüßenswerte Übereinstimmungen zwischen ihrem Glauben und wichtigen Zielen des Nationalsozialismus: der Kampf gegen Egoismus, Materialismus und Kommunismus; die Beendigung des „Parteienzanks“ und der Einsatz für die „alte Sitte“.
Zwölf Jahre später, also vor genau 80 Jahren wurde Nikolaus Groß in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Wenige Monate zuvor waren ihm Bernhard Letterhaus und Prälat Otto Müller in den Märtyrertod vorangegangen. Sie gelten als strahlende Beispiele des katholischen Widerstands. Heute beginnen wir zu begreifen, wie einzigartig und selten die damit verbundene Grundhaltung und Konsequenz war. Die Überzeugungen, die das Leben von Groß und seiner Gefährten geprägt haben, mussten sich nämlich gegenüber einem religiösen Mainstream, in dem Gehorsam gegenüber der Obrigkeit Christenpflicht war, mühsam behaupten. Es zeigt sich beim genauen Blick auf jene dunklen Jahre aber auch, dass eine tiefe Verwurzelung im christlichen Glauben und der katholischen Tradition durchaus das Potential hatte, Widerständigkeit im weiteren Sinn zu motivieren. Was in den Kirchen gepredigt wurde, war eine Art Werte-Gegenwelt zum Nationalsozialismus. Wenn man diese Werte ernst nahm und sein eigenes Leben an ihnen ausrichtete, musste man/frau immer wieder Widersprüche im Alltag des nationalsozialistischen Deutschlands zu den eigenen Überzeugungen feststellen. Aber die Zahl derer, bei denen aus einem mulmigen Gefühl zunächst Widerständigkeit und dann regelrechter Widerstand wurde, ist sehr gering.
Wie ist das heute? Einer aktuellen Studie zufolge hat knapp die Hälfte der Deutschen nur wenig oder gar kein Vertrauen mehr in die Demokratie.[iii] Gibt es in unserem Land eine wachsende Sehnsucht nach Autorität? In Amerika erleben wir die „Erfüllung“ des Verlangens nach einer „Heilsgestalt“. Manchmal habe ich den Eindruck, dass wir als Christinnen und Christen in unserer Demokratie fast immer nur halblehre Gläser anbieten können, Trump aber punktet mit einem mit Maßkrug voller Illusionen und gibt den Ton vor. Daher läuft jetzt im Wahlkampf der Wettbewerb um die schrillsten Sprüche zum Thema Migration und Bürgergeld, zur Einteilung der Menschen in faule und fleißige. Wie steht es um unsere Widerständigkeit? Interessieren wir uns für die Ursachen? Beispielsweise dafür, dass das Gesundheitswesen insbesondere im psychiatrischen Bereich durch gnadenlose Profitorientierung genauso kaputtgewirtschaftet wurde wie der Bereich der öffentlichen Sicherheit und das Funktionieren das Ausländerbehörden? Wie steht es mit unserer Widerständigkeit gegen all jene, die „nach Aschaffenburg“ nun endgültig nicht nur bestimmte Politiker, sondern den gesamten freiheitlichen Rechtsstaat „in die Tonne kloppen“ wollen?
Das eigentliche Problem besteht darin, dass viele, die absolut keine rechtsextremen Sympathien hegen, es müde sind, sich permanent mit den Hassparolen und Entgleisungen auseinanderzusetzen. Es ist einfach zu viel. Die Zweifel an der Handlungsfähigkeit unseres Staates machen viele mürbe. Und, - wir sind zerstritten. Das eigentliche Drama ist nicht der Erfolg der AfD, sondern die Zerstrittenheit und Zersplitterung ihrer Gegner: das beginnt in unserem Verband und endet beim Trauerspiel in Berlin. Was aber kommt dann auf uns zu? Ich denke an die unmenschlichen Dekrete, die der GröPaZ, „der größte Präsident aller Zeiten“ unmittelbar nach seiner Amtseinführung unterzeichnet hat und damit Millionen von Menschen in seinem Land die Existenzberechtigung abspricht. Die Ideologie der sogenannten Remigration wird hier bereits praktiziert. Wie steht es um unsere Widerständigkeit als Christinnen und Christen, als Mitglieder eines Verbands, der sich die Würde aller arbeitenden Menschen wie kein zweiter Verband in der katholischen Kirche auf die Fahnen geschrieben hat? Eins ist klar: in autoritären Regierungen, die gut und schlecht für ihr eigenes Überleben stets neu definieren, wird irgendwann jeder und jede zum „Ausländer“.
Der evangelische Pfarrer Martin Niemöller hegte Anfang der 30er Jahre durchaus Sympathien für die Nazis. Ab 1933 wurde er aber nach und nach zum Gegner. Er sagte rückblickend: „Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen, denn ich war kein Kommunist. Als sie die Juden holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Jude. Als die Nazis mich holten, war niemand mehr da, um zu protestieren.“[iv] Er saß bis zum Kriegsende im KZ in Einzelhaft.
Für uns gilt die Botschaft des Original-Messias. Mit dieser stärken wir die Mehrheit, die in Deutschland protestiert. Denn es ist 5 vor 33.
Stefan-Bernhard Eirich, Bundespräses der KAB Deutschlands
[i] Vgl. katholisch.de/artikel/58974-trump-bei-vereidigung-bin-von-gott-gerettet-worden
[ii] www.1000dokumente.de/Dokumente/Rede_Adolf_Hitlers_bei_der_Er%C3%B6ffnung_des_neu_einberufenen_Reichstags_(Tag_von_Potsdam)
[iii] koerber-stiftung.de/projekte/demokratie-in-der-krise-umfrage-2024/
[iv] martin-niemoeller-stiftung.de/martin-niemoeller/als-die-nazis-die-kommunisten-holten